Rahel Obrist, worum geht es in deiner Abschlussarbeit?
In der heutigen digital vernetzten Gesellschaft findet eine starke Veröffentlichung des Privaten und Intimen statt. Schützenswerte Angelegenheiten gelangen täglich, meist mit Verlust sämtlicher emotionaler Tiefe, über Soziale Medien an die Öffentlichkeit. Dort werden sie von einem interessierten Publikum aufgesogen. Denn kaum etwas ist so anlockend, wie das, was eigentlich ins Verborgene gehört.
Als Gegenpol zu dieser medialen, inszenierten und meist voyeuristischen Darstellung der Intimität habe ich eine abstrakte fotografische Bildserie erschaffen, die den Begriff auf subjektive Weise verkörpert. Sie soll den betrachtenden Personen Raum zur eigenen Interpretation lassen und sie in dieser hektischen Gesellschaft zum Verweilen bringen.
Um Intimität nicht nur visuell darzustellen, sondern spürbar zu machen, habe ich ein weiches Objekt mit einem Gesichtsloch gestaltet, in welchem meine Bildwelt gezeigt wird. Zur visuellen Ebene kommt die haptische hinzu. Die Fotografien, die in einem Entspannungs-Atemrhythmus ein-, aus- und überblendet werden, lassen das Objekt im Dunkeln pulsierend leuchten und hauchen ihm Leben ein. Der dazugehörige Gehörschutz schirmt akustisch von der Umgebung ab und lässt die Betrachterin oder den Betrachter die eigenen Körpergeräusche besser wahrnehmen.
Wie kamst du auf dieses Thema?
Ich finde es beunruhigend, wie unbedacht die Allgemeinheit heutzutage mit Intimität umgeht und wie die Preisgabe von Persönlichem und Intimem zum Erzielen von Aufmerksamkeit fast schon einen kommerziellen Charakter angenommen hat. Für meine Bachelor-Thesis fand ich es interessant, mich von einem spannenden Inhalt leiten zu lassen und konzeptionell vorzugehen. Das Thema Intimität erschien mir da reizvoll.
Was ist dein konkreter Beitrag zur Zukunftsgestaltung unserer Gesellschaft als künstlerisch-gestalterisch tätige Person mit Blick auf die ökologischen, politischen und /oder ökonomischen Herausforderungen? Wie siehst Du Deinen Handlungsspielraum?
Meiner Meinung nach ist es naheliegend, dass irgendwann all unser Verlangen nach schnellen Reizen gestillt ist und wir übersättigt sind von dieser banalen Zurschaustellung. Dass uns die voyeuristische Abbildung des Intimen langweilt oder gar abstösst, und wir uns das Reale, Geheime, Verborgene zurückwünschen.
In der heutigen, bildüberfluteten Welt ist es daher erforderlich, neue Wege zu finden, um bei Betrachterinnen und Betrachtern Interesse zu wecken und Emotionen auszulösen. Genau das beabsichtige ich mit meiner Installation. Als Visuelle Gestalterin begegne ich dem aktuellen Umgang mit Intimität kritisch, stelle das schwer fassbare Thema visuell dar und kommuniziere es auf eine emotionale Art.
Wohin geht deine (berufliche) Reise jetzt nach dem Studium?
Ich freue mich, nach dem Studium endlich wieder in die Praxis einzutauchen und mein neu erlerntes Wissen anzuwenden. Dies werde ich bei modulator, einer Branding und Designagentur in Basel, tun. Weiterhin möchte ich mich freien, gestalterischen Projekten widmen und wieder mehr meiner Lust am Schreiben nachgehen. Ich bin gespannt, was die Zukunft noch alles für mich bereithält und freue mich auf aufregende Zeiten.
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