NEXT GENERATION
JOURNAL

Institut Kunst

I-HOOD – Ausstellungsansichten in Wort und Bild

«All they’re trying to do is tell you what they’re like, and what you’re like – what’s going on – what the weather is now, today, this moment, the rain, the sunlight, look! Open your eyes; listen, listen.»

Künstler*innen, so die Science-Fiction-Autorin Ursula K. Le Guin (1), seien weder Prophet*innen noch Futurolog*innen, selbst wenn sich ihre Werke inhaltlich mit entfernten Zeitdimensionen, möglicherweise mit anderen Welten als der unseren befassen.

Das gesellschaftliche Misstrauen gegenüber dem Wahrheitsgehalt der Kunst, das auf jener vermeintlichen Realitätsferne der Werke – dem Erfindungsgeist der Autor*innen – gründe, sei letztlich die Folge völlig falscher Prämissen. Kunst sei keine Vorhersage, sie sei ein Gedankenexperiment. Le Guin führt weiter aus, dass jene Wahrheiten, welche sich in und mit Kunstwerken ausdrücken lassen, zwar unter logischen Aspekten reine Erfindungen (wortwörtlich: Lügen) sein mögen, sie jedoch psychologisch und ästhetisch betrachtet gültige Symbole und Metaphern eines Hier und Jetzt seien. Für sie ist Wahrheit grundsätzlich eine Frage der Imagination.

Kunstwerke, so auch alle, die in der Ausstellung «I-Hood» versammelt sind, entstehen in einem langwierigen mentalen und manuellen/maschinellen Prozess, der nicht nur hinsichtlich Zeit und Energie wissenschaftlichen Experimenten auch dann ebenbürtig ist, wenn Methodik, Logik und der Output anderen Gesetzmässigkeiten als denjenigen der Naturwissenschaften folgen mögen. Die (Er-)Findung einer werkimmanenten Wahrheit ist stets auf der Ebene von möglichen Lösungsansätzen für selbstgenerierte Fragen und existierende Problemstellungen angesiedelt.

Was prägt unser Verhältnis zu neuen Technologien und unseren Umgang damit? Welche Körperbilder existieren jenseits der Sprache und Vorstellungen tradierter, patriachaler und rassistischer Weltbilder? Wie lassen sich die Beziehungen und Verbindungen von Menschen zu anderen Lebewesen neu denken und gestalten? Auf welche Art und Weise reflektieren wir unseren eigenen Konsum und die Produktion von Objekten? Wie und womit bilden wir Netzwerke und soziale Verflechtungen? Anhand welcher Parameter bestimmen wir die Grenzen von Innen und Aussen und aus welcher Motivation heraus tun wir dies? Was prägt unseren Umgang mit der Entgrenzung von digitalen und analogen Realitäten? Wie generieren und verarbeiten wir unsere Erinnerungen und diejenigen unserer Zeitgenoss*innen? Was sind letztlich unsere Geschichten? Und wie wollen wir sie erzählen?

Wer mit offenen Augen und Ohren durch diese Ausstellung geht, wird feststellen können, dass sich bei aller Bandbreite der künstlerischen Medien und Praktiken und der enormen Vielfalt der Themen, Inhalte und Methoden, gewisse Fäden zu einem unterschwelligen Handlungsstrang bündeln lassen: Der durchaus politischen Frage nach dem eigenen Standpunkt im Verhältnis zu aktuellen Ereignissen, bei der das einzelne Werk, die Diplomausstellung, auch dazu dient, eine persönliche Haltung zu formulieren und zu kommunizieren. Stimmen, die gehört werden wollen und denen wir zuhören sollten.

Alice Wilke ist kuratorische Assistentin der Ausstellung I-HOOD und wissenschaftliche Assistentin am Institut Kunst.

(1)Ursula K. Le Guin, The Left Hand of Darkness, 1969 (Introduction 1976).

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