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Institut Kunst

Das sagt: Svenja Schennach!

Das sagt: Svenja Schennach!

Svenja Schennach, worum geht es in deiner Abschlussarbeit?
Meine Abschlussarbeit «durch—triebe—n (both stumbling and transforming)» 2019 geht nicht UM etwas, oder wenn sie um etwas geht, dann läuft sie von einem Stadtbaum um die Birs bis vors Kunsthaus Baselland. Vielmehr IST meine Arbeit. Seit jeher befrage ich die Beziehung zwischen Mensch und Natur oder eben den Menschen als Natur – abhängig, aber sich abgrenzend. Meine Live—Performance ist für mich eine logische Folgerung aus meinem dreijährigen Prozess der Auseinandersetzung damit. Sie ist verkörpertes Wissen über meine Verantwortung mit meinen Privilegien, die ich dadurch trage, mir die Zeit und den Raum eines Kunststudiums nehmen zu können und ein neues/anderes Verständnis bzw. eine neue/andere Beziehung zu unseren Körpern aufzubauen und wie sie sich in ihrer Umwelt bewegen oder wie sich die Umwelt in ihnen bewegt. Die Disziplin «Kunst» verstehe ich als Verknüpfungsstelle vieler verschiedener Wissenschaften, wie Philosophie, Architektur (des Körpers im Umbau), Forstwissenschaften, Neurologie, Psychologie, etc.

Diese Verbindungen zwischen künstlich getrennten Disziplinen gilt es für mich sichtbar zu machen. Dabei bin ich das Medium, als Brücke – wobei meine Menschlichkeit ihre Spuren nicht ganz auslöschen kann. Meine Realität auf materieller Ebene sichtbarer zu machen und ganz wichtig dabei, vielen weiteren Realitäten Platz zu lassen: i am staying with the trouble für ein poetisches Leben in Ungewissheit.

Wie kamst du auf dieses Thema?
Ich bin hochsensibel, das heisst ich «funktioniere» nur in Wäldern und anderen Naturorten, ohne unter Stress zu stehen. Dort fühle ich mich frei, kann mich frei bewegen – fast ohne menschgemachte Wege und Strassen, ausserdem frei von menschlichen Urteilen. Es scheint ein Urinstinkt zu sein, eine klare Antwort darauf habe ich nicht. Der Wald ist mein Atelier, wobei ich diesen Begriff kritisch sehe. Ich weiss nicht, ob der Wald als Arbeitsort betitelt werden soll oder ob das dann nicht schon eine Art Domestizierung ist. Ich bin stets in Bewegung, sehr neugierig und dies gerne alleine. So kann ich mich ganz der (Um)welt hingeben, ich bin leer, für die Umwelt, sie wird zur «Inwelt». Denn sobald weitere Menschen dabei sind, entstehen Gespräche – diese lenken vom eigentlichen Ort ab.

In meiner ersten Arbeit recherchierte ich rund um den Begriff «Biophilia» — die Liebe zur Natur. Inzwischen hat sich auch meine Beziehung zur Natur verändert, ich würde sie nicht als nostalgische Liebe bezeichnen. Es ist keine Liebe, es ist ein Bedürfnis, eine tiefere Abhängigkeit. Ich verspüre eine grosse Verantwortung, für die Leisen einzustehen und für die eigene Akzeptanz aller Ausprägungen von Launen, Gefühlen und Formen des menschlichen Körpers.

Was ist dein konkreter Beitrag zur Zukunftsgestaltung unserer Gesellschaft als künstlerisch-gestalterisch tätige Person mit Blick auf die ökologischen, politischen und/oder ökonomischen Herausforderungen? Wie siehst Du Deinen Handlungsspielraum?

Meine Beziehung zur Natur habe ich über die Jahre des Studiums gelernt zu filtern, zu definieren, versucht zu erklären — da war das Studium sicherlich auch eingrenzend. Vor allem seit ich im Erasmus-Jahr in den Niederlanden war, gab es (oder ich) mir die Freiheit, die ich brauchte. Für die Zukunft geht es mir auf grösserer geopolitischer Ebene darum, für die Rechte der Erde einstehen zu können. Dieses Wissen über eine tiefe Verbundenheit behutsam zu teilen, dafür braucht es Zeit und Ruhe. Diese findet der Mensch in Wäldern. Meine persönliche Geschichte ist politisch, ich bin privilegiert, in einem reichen europäischen Land aufgewachsen zu sein, Kunst studieren zu können. Gleichzeitig trage ich immer eine tiefe Verwundbarkeit und Fragilität in mir, da ich mit einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen bin, viel psychische Gewalt erfahren habe und Liebe und Wurzeln als Kind nie erhalten habe. Dies ist ein politisches Problem, keinesfalls die Schuld einer einzelnen Frau, deshalb gehört dieses Gefühl des Schmerzes ausgesprochen und richtet sich gegen ein politisches Konstrukt, welches Menschen künstlich voneinander und von der Erde trennt. Ich bin voller Energie, mein Wissen ausserhalb und innerhalb der Kunst zu erweitern und zu teilen.

Wohin geht deine (berufliche) Reise jetzt nach dem Studium?
Ich werde höchstwahrscheinlich ein weiteres Studium in Forstwissenschaft belegen. Ausserdem überlege ich, meinen Studienplatz in Umweltarchitektur in London anzunehmen. Gleichzeitig kann ich die Kunst-/Tanz-/Vermittlungsprojekte nie loslassen. Sicherlich werde ich weiterziehen ins Ausland – wo genau es mich hintreibt werde ich sehen.

Wann Svenja Schennach’s Live-Performance stattfindet, erfahrt ihr hier. Auf Instagram ist Svenja Schennach unter dem Namen «wilderthanyou» zu finden und Einblicke in ihr Schaffen gibt ihr Portfolio.

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